Fieberkrampf-Fakten im Überblick: | |
Gefahrenstufe: | harmlos |
Wiederholung: | in 2/3 der Fälle einmalig, je jünger beim Erstanfall, desto wahrscheinlicher kommt es zu weiteren Fieberkrämpfen |
Häufigkeit: | 2-5% aller Kleinkinder (DE) |
Alter: | 6. Monat – 3. Lebensjahr, meist zwischen 14. und 18. Monat |
Dauer: | 2-3 min bis selten länger als 15 min (komplizierter FK) |
Arten: | 1. einfacher Fieberkrampf: ca. 80% der Fälle 2. komplizierter Fieberkrampf: ca. 20% der Fälle |
Ursache: | vermutlich Geschwindigkeit des Temperaturanstiegs, vorbeugen durch Senken unter 38,5°C daher nicht möglich, Dreitagefieber ist häufigster Auslöser |
Was tun: | Abwarten, Verletzungen verhindern (Baby weich auf freier Fläche hinlegen), lüften, Ruhe bewahren, evtl. bei Erstanfall Rettungsdienst rufen, für den Fall eines komplizierten Fieberkrampfes |
Spätfolgen: | Epilepsie: leicht erhöhtes Risiko bei einfachen Fieberkrämpfen, deutlich erhöhtes Risiko bei komplizierten Fieberkrämpfen vor dem ersten Lebensjahr, familiärer Epilepsie und neurologischen Zusatzfaktoren wie Hippocampussklerose |
Vorteile: | Intelligenzsteigerung: Es besteht ein begründeter Verdacht, dass Fieberkrämpfe nach dem ersten Lebensjahr zu einer Steigerung des Gedächtnisses beitragen können. |
Was ist ein Fieberkrampf?
Ein Fieberkrampf ist ein zerebraler Krampfanfall, d.h. eine elektrische Kurzschlussreaktion im Gehirn, die sich von einem epileptischen Anfall dadurch unterscheidet, dass er durch das Fiebern während einer Krankheit zustande kommt. Im Unterscheid zu einem epileptischen Anfall spricht man bei Fieberkrämpfen daher auch von so genannten Gelegenheitsanfällen. Sie betreffen Kleinkinder und sind in der überwiegenden Mehrheit der Fälle harmlos und nach 2-3 Minuten von selbst abgeklungen, für die Eltern allerdings oft ausgesprochen erschreckend anzusehen. Trotz ihres bedrohlichen Aussehens sind Fieberkrämpfe aber insgesamt als ungefährlich einzustufen und führen sogar unter Umständen zu einer Intelligenzsteigerung wie eine neueren Studien nahelegen. Mehr dazu weiter unten.
Wie sieht ein Fieberkrampf aus?
Ein typischer Fieberkrampf durchläuft einen zweiphasigen Verlauf, wobei das krampfende Kind in der ersten Phase (tonische Phase) zunächst plötzlich das Bewusstsein verliert, brettartig versteift und die Atmung aussetzt. Die Lippen können dabei blau anlaufen, die Augen verdrehen sich nach oben und der Kiefer presst zusammen. Nach ein paar Sekunden setzt die Atmung zusammen mit einem rhythmischen Zittern wieder ein (klonische Phase), wobei das Kind unter Umständen alle möglichen Geräusche wie Stöhnen, Schmatzen, Gurgeln, Japsen oder Röcheln von sich gibt, unkontrolliert sabbert oder Schaum vor dem Mund bekommt. Nach etwa 3 Minuten ebben die Zuckungen allmählich wieder ab. Möglich sind auch atonische Anfälle, bei denen das Kind im Wesentlichen ganzkörperlich erschlafft. Im Anschluss an den Krampf bleibt das Kind noch eine Weile bewusstlos liegen, bevor es das Bewusstsein zurückgewinnt. Bei längeren Krampfepisoden fällt das Kind meist sofort in einen Erschöpfungsschlaf.
Fieberkrämpfe sind in der Regel einmalig
Bei ca. zwei Dritteln der Krampfanfällen bleibt es bei einem einmaligen Ereignis, bei ca. einem Drittel kommt es mindestens zu einem weiteren Fieberkrampf, wobei als Faustregel für die Wiederholungswahrscheinlichkeit das Alter des Erstanfalls ist: je jünger desto wahrscheinlicher. Ebenso erhöht sich die Wahrscheinlichkeit auf bis zu 50% bei familiärer Disposition.[i]
Einfacher und komplizierter (atypischer) Fieberkrampf
Im Allgemeinen unterscheidet man zwischen einem einfachen Fieberkrampf und einem komplizierten Fieberkrampf.
- Einfache Fieberkrämpfe sind generalisiert, d.h. sie führen sofort zu Bewusstlosigkeit, sind in der Regel einmalig und dauern 2-3 Minuten bis maximal eine Viertelstunde. Wenn sie sich wiederholen, dann nicht innerhalb von 24 Stunden. Einfache Fieberkrämpfe umfassen schätzungsweise etwa 80% aller Fälle.
- Ein komplizierter (atypischer) Fieberkrampf hingegen liegt vor, wenn der Krampf herdförmig ist, d.h. das Kind nicht sofort das Bewusstsein verliert, sondern nur Teile des Körpers, also z.B. nur die Arme oder Beine zu zucken beginnen, und/oder wenn der Anfall länger als eine Viertelstunde dauert und/oder wenn sich innerhalb von 24 Stunden ein weiterer Krampf ereignet. Im Anschluss an einen komplizierten Fieberkrampf können die betroffenen Körperteile noch eine Weile gelähmt sein (zum Teil sogar einige Stunden). Im Vergleich zum einfachen Fieberkrampf besteht außerdem eine erhöhte Wahrscheinlichkeit vor dem 7. Lebensjahr an Epilepsie zu erkranken. Mehr dazu weiter unten. Komplizierte Fieberkrämpfe umfassen schätzungsweise etwa 20% aller Fälle.
Häufigkeit und Alter
Fieberkrämpfe treten zu 85-94% zwischen dem 6. Lebensmonat und dem 3. Lebensjahr auf, wobei sich die Mehrheit der Fälle sich zwischen dem 14. Und 18. Lebensmonat häufen, und zwar meist im Zusammenhang mit dem harmlosen Dreitagefieber. Erstkrämpfe nach dem 4. Lebensjahr sind selten und nach dem 6. Lebensjahr bzw. vor dem 6. Lebensmonat treten praktisch keine Fieberkrämpfe auf.[ii] In Europa und Nordamerika liegt die Anfallswahrscheinlichkeit derzeit bei etwa 2 bis 5 von 100 Kindern, im Rest der Welt etwas höher bei bis zu 10 von 100 Kindern. Die exakten Hintergründe für die (buchstäbliche) Anfälligkeit mancher Kinder sind bisher noch nicht bekannt, es scheint ob der Altersverteilung allerdings vermutlich mit bestimmten Faktoren des noch in Entwicklung befindlichen kindlichen Nervensystems zusammenzuhängen.
Vorteile von Fieberkrämpfen: Intelligenzsteigerung?
Eine Studie der Universität Münster aus dem Jahre 2006 hat einen möglichen Zusammenhang zwischen Fieberkrämpfen bzw. der Neigung zu Fieberkrämpfen und einer Intelligenzsteigerung herausgefunden. Untersucht wurden dabei statistische Daten zu 70 10-18jährigen Kindern, die am Universitätsklinikum in Münster im Kleinkindalter wegen eines Fieberkrampfes behandelt worden sind. Unter anderem zeigte sich im Bereich höherer Bildung ein statistisch signifikanter Unterschied. So besuchen 51,5% der ehemaligen Anfallskinder gegenüber 38,8% der anfallfreien Kinder im späteren Leben ein Gymnasium.[iii]
Andere Studien widersprechen diesem Ergebnis bzw. differenzieren und präzisieren es. So zum Beispiel eine Zwillingsstudie aus dem Jahr 2008, die bei den geringfügigen Intelligenzunterschieden zwischen Geschwistern das Vorkommen von Fieberkrämpfen auf Seiten des schwächeren Geschwisters als Ursache vermutet.[iv] Eine Zwischenposition bezieht eine umfangreiche Studie von 2001, die eine deutliche Steigerung der Gedächtnisleistungen von Anfallskindern beobachtet, sofern es nach dem ersten Lebensjahr zum Erstanfall gekommen ist. Eine gute Gedächtnisleistung ist in der Tat wesentlich für den schulischen Erfolg. Bei Krampfanfällen vor dem ersten Lebensjahr hingegen kam es eher zu Lerndefiziten. Zwischen Kindern mit einfachen und komplizierten Fieberkrämpfen waren dabei keine signifikanten Unterschiede zu beobachten.[v] Ähnliche Ergebnisse finden sich auch 1997 im Bezug auf Fieberkrämpfe vor dem ersten Lebensjahr, obwohl ansonsten keine überzufällige Abweichung in der Intelligenz gefunden worden ist.[vi] Das Thema ist also noch nicht abschließend geklärt. Sollten sich Fieberkrämpfe bzw. die Neigung zu Fieberkrämpfen auf die schulischen Leistungen auswirken, so ist nach aktueller Forschungslage davon auszugehen, dass dies vermutlich über den Weg der Gedächtnissteigerung zustande kommt und vor allem bei Kindern mit Erstanfällen nach dem ersten Lebensjahr zu erwarten ist – ein Umstand, den die Studie der Universität Münster ausdrücklich berücksichtigt, was ihren Funden in diesem Zusammenhang zusätzliches Gewicht verleiht, auch wenn sie mit einer Gruppengröße von 70 Kindern im Raum Münster eine relativ kleine Studie darstellt.[vii] Dass überhaupt Vorteile von Krampfanfällen zu erwarten sind, mag zwar erstaunen, ist aber keineswegs ungewöhnlich. So wurde z.B. in der klinischen Psychotherapie beobachtet, dass depressive Epileptiker nach einem Krampfanfall ihre depressive Episode überstanden haben, sich also das Ungleichgewicht im Gehirnstoffwechsel durch den Anfall wie in einer Art Reset eigenständig korrigiert hat – ein Umstand, der sich dann in das Verfahren der Elektrokrampftherapie übersetzt hat, bei der epileptische Anfälle mit ähnlich guten Ergebnissen künstlich induziert werden.
Vorbeugen nicht möglich
Entgegen landläufiger und noch immer im Internet verbreiteter Auffassung lässt sich ein Fieberkrampf nachweislich nicht durch rechtzeitige Gabe fiebersenkender Medikamente verhindern, die die Körpertemperatur unterhalb von 38,5°C halten. In der Tat hat die Höhe des Fiebers nichts mit der Anfallswahrscheinlichkeit zu tun. Als Auslöser in Frage kommt eher die Geschwindigkeit des Temperaturanstiegs, worauf Fiebersenken als Maßnahme keinen Einfluss nehmen kann.[viii]
Was im Falle eines Fieberkampfes zu tun ist
Bei einem Fieberkrampf heißt es im Wesentlichen Abwarten und Besonnenheit bewahren, da der Krampf in den allermeisten Fällen nach ein paar Minuten von alleine abklingt. Zwar kann es streckenweise es zu Verfärbungen der Lippen und der Haut kommen und der Atem kann so kaum merklich gehen, dass es den Anschein hat, das Kind habe zur Gänze aufgehört zu atmen, das Risiko an einem Fieberkrampf zu sterben ist aber tatsächlich sehr gering und erfordert ein stundenlanges Andauern des Krampfes. Von daher besteht kein Anlass zur Sorge. Stattdessen Verletzungen vermeiden, in dem Sie dafür sorgen, dass es weich und nicht beengt auf freier Fläche liegt, sich also nirgendwo stoßen oder herunterfallen kann. Halten Sie es nicht fest und lüften Sie das Zimmer, damit es Luft zum Atmen hat. Komplizierte Krämpfe können zur Not mit krampfunterdrückenden Mitteln wie Diazepam unterbrochen werden. Sehr besorgten Eltern steht daher zusätzlich die Möglichkeit offen beim Erstanfall zur Sicherheit einen Rettungsdienst zu rufen. In den allermeisten Fällen wird sich der Krampf beim Eintreffen des Rettungsdienstes bereits erledigt haben – wenn nicht, kann eingegriffen werden.
Fieberkrämpfe und Epilepsie
Ein leichter Zusammenhang zwischen Fieberkrämpfen und dem späteren Auftreten von Epilepsie besteht statistisch, wobei hier auch die familiäre Anlage zu Epilepsie von Bedeutung ist. Wer bereits Epileptiker in der Familie hat folgt mir höherer Wahrscheinlichkeit. Insgesamt erhöht sich die Wahrscheinlichkeit an einer Epilepsie zu erkranken auf etwa 2-4 % leicht. Zum Vergleich dazu liegt die allgemeine Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung eines Anfallsleidens in Deutschland bei 1,5-3,5%. Bei komplizierten Fieberkrämpfen, insbesondere wenn sie jeweils lange andauern und gehäuft auftreten, liegt die Wahrscheinlichkeit dabei noch höher als bei einfachen Fieberkämpfen. Lange Zeit war außerdem umstritten, ob und wie Fieberkrämpfe mit einer Epilepsie des Temporallappens zusammenhängen, nach neueren Erkenntnissen ist allerdings zu schließen, dass hier eine vorbestehende neurologische Schädigung vorliegen muss wie ein Hippocampus-Sklerose, also eine Verhärtung (Sklerose) des Hippocampus.[ix] Sollte es im Anschluss an den Fieberkrampf noch einmal zu einem nicht durch ein Fieber provozierten, alleinstehenden Anfall kommen, dann wäre das allerdings noch kein zwingendes Indiz für eine Epilepsie. Am besten daher einen Neurologen aufsuchen.