Fiebersenken beeinflusst mehr als nur die Körpertemperatur
Nach landläufiger Ansicht ist Fieber noch immer ein mit Vorsicht zu betrachtendes Phänomen, das der regulierenden Einflussnahme bedarf. So wird Fieber über 39,0°C in der klinischen Praxis als unnötig kräftezehrend betrachtet und grundsätzlich gesenkt, obwohl die Vorteile des Fiebers als natürliche Selbstheilungsmaßnahme bekannt sind. Fiebersenken wird als eine unbedenkliche Art der Schonung betrachtet wie etwa die Lüftung eines stickigen Innenraums. Dem ist aber nach neuerer Forschung nicht so, denn fiebersenkende Medikamente nehmen zum Teil direkten Einfluss auf die Zellen des Immunsystems. Manche dieser Medikamente kommen daher sogar zur gezielten Dämpfung der Immunreaktion zum Einsatz wie sie im Falle von Autoimmunkrankheiten beabsichtigt ist. Mit der Temperatur wird dem Körper also unter Umständen mehr genommen als es den Anschein hat.
Gerade bei schweren Infektionen erhöht Fieber die Überlebenschancen
Besonders bei schweren Infektionen wie einer akuten Blutvergiftung (Sepsis) ist man lange Zeit davon ausgegangen, dass die hohe Kreislaufbelastung des intermittierenden Fiebers die Überlebenschancen des Patienten herabsetzt. Beim so genannten intermittierendem Fieber steigt die Körpertemperatur über Tage hinweg schubweise zum Abend bis zur vollen Fieberhöhe hin an um unter reichlich Schwitzen des nachts dann wieder abzusinken, und zwar zum Teil sogar bis unter die Fiebergrenze. Es liegt nahe hier eine Beruhigung des Kreislaufs anzuregen und die Fieberhöhe zu begrenzen, hat sich aber in entsprechenden Studien als in dieser Form nicht zutreffend erwiesen. In der Tat war die Sterberate derjenigen Intensivpatienten, deren Fieber gesenkt worden ist, in einigen Studien im Vergleich zu denen, die hoch fiebern durften, derart deutlich erhöht, dass ein fortgesetztes Fiebersenken (Antipyrese) zum Zwecke der Studie als nicht länger ethisch vertretbar eingestuft wurde.
Überblick über wichtige Studien zum Fiebersenken (Antipyrese)
Folgende fünf Studien zeigen den Einfluss des Fiebersenkens auf den Verlauf verschiedener Infektionen beim Menschen. Darüber hinaus existieren noch eine Fülle von Studien zum Heilungsverhalten von Tieren, die mit den unten aufgeführten Ergebnissen übereinstimmen.
Infektionstyp | Antipyrese | Ergebnis | Jahr |
Windpocken (Varizellen) bei Kindern bis zum 12. Lebensjahr | Paracetamol | Langsamerer Heilungsverlauf unter Gabe von Paracetamol. Auch keine Linderung der Krankheitssymptome (Juckreiz). | 1989[i] |
Schnupfen (Rhinitis) | Aspirin, Paracetamol, Ibuprofen | Bei Aspirin und Paracetamol zeigt sich eine unterdrückte Antikörperbildung und ein langsamerer Heilungsverlauf mit stärkeren Schnupfensymptomen. | 1990[ii] |
Unkomplizierte Malaria bei Kindern | Paracetamol vs. Mechanische Kühlung | Parasiten leben im Schnitt 16 Stunden länger im Blut bei Gabe von Paracetamol. | 1997[iii] |
Akute Infektion bei Intensivpatienten | Paracetamol Antipyrese ab 38,5°C bzw. erst ab über 40,0°C. | Studienabbruch wegen erhöhter Sterberate bei Antipyrese. Bei Senkung ab 38,5°C starben 16% der Patienten, bei Senkung ab über 40,0°C nur 2,6%. | 2005[iv] |
Kritisch fiebernde Intensivpatienten mit und ohne Blutvergiftung (Sepsis) | Paracetamol, nichtsteroidale Antirheumatika (Aspirin, Ibuprofen, Diclofenac) | Erhöhte Sterblichkeit bei Patienten mit Sepsis. | 2012[v] |
Fazit
Insgesamt ist nach Lage der neueren Studien daher davon auszugehen, dass die Gabe von Antipyretika auf den Heilungsverlauf bestenfalls keinen, oft jedoch einen verlängernden und hemmenden Einfluss ausübt, was jedoch im Umkehrschluss nicht bedeutet, dass sie in Einzelfällen nicht wohl dosiert zum Einsatz kommen können (z.B. bei starken Kopfschmerzen). Dabei gilt allerdings ein zunächst einmal kontraintuitiv anmutendes Prinzip: Je schwerer die Infektion, desto weniger sollte medikamentös gesenkt werden. Wadenwickel hingegen erwirken hydrotherapeutisch ein Überwechseln in das Parasympathische Nervensystem (Entspannungs- und Heilungsnervensystem) und dadurch eine Linderung auch von Beschwerden wie Kopf- und Gliederschmerzen.
Quellen:
[i] T. F. Doran et al. (1989): Acetaminophen: more harm than good for chickenpox? J Pediatr. 1989 Jun;114(6): S. 1045–1048; PMID 2656959 [ii] N. M. H. Graham et al. (1990): Adverse effects of aspirin, acetaminophen, and ibuprofen on immune function, viral shedding, and clinical status in rhinovirus-infected volunteers. J Infect Dis. 1990 Dec;162(6): S. 1277–1282;PMID 2172402 [iii] C. H. Brandts (1997): Effect of paracetamol on parasite clearance time in Plasmodium falciparum malaria. Lancet. 6. September 1997 (9079): S. 704–709; PMID 9291905 [iv] C. I. Schulmann et al. (2005): „The effect of antipyretic therapy upon outcomes in critically ill patients: a randomized, prospective study“. Surg Infect (Larchmt). 6 (4): S. 369–375. PMID 16433601 [v] B. H. Lee et al. (2012): Association of body temperature and antipyretic treatments with mortality of critically ill patients with and without sepsis: multi-centered prospective observational study. Crit Care. 16 (1): R33. PMID 22373120, PMC 3396278